Ergebnisse der Umfrage „Unternehmenskultur in digitalen Zeiten“
Die Mehrheit der Befragten will sich aktiv bei der Digitalisierung beteiligen
Die Führung spielt eine zentrale Rolle.
„Die Digitalisierung wird kommen“ ist vielfach die Aussage in den Medien. Das stimmt so nicht, sie ist bereits in vollem Gange. Längst sind wir von künstlicher Intelligenz und selbstlernenden Algorithmen, wie sie beispielsweise in Spracherkennungssystemen integriert sind, umgeben. Von sich verändernden Arbeitswelten ist die Rede und neuen Anforderungen an die Führung.
Mit unserer Befragung zur „Unternehmenskultur in digitalen Zeiten“ wollten wir wissen, wie die Menschen die Digitalisierung in ihren Organisationen erleben. In einer Kurzumfrage im April/Mai 2018 haben uns 149 Personen (n=149) quer durch alle Branchen und verteilt auf alle Unternehmensgrößen dazu geantwortet.
Anders als bei einem Change-Projekt mit definiertem IST und geplantem Ziel ist die „Digitalisierung“ nicht klar umschrieben. Sie entwickelt und verändert sich permanent weiter. Aus diesem Grund wollten wir zunächst wissen, ob es ein gleiches Verständnis vom Begriff Digitalisierung gibt. Wir haben die Teilnehmer gebeten, uns in ein bis drei Sätzen zu beschreiben, was sie unter Digitalisierung verstehen. 54,36 % (n=81) haben die Gelegenheit genutzt, diese Frage zu beantworten. 45,36 % (n=68) äußerten sich zu dieser Frage nicht. Unsere Erkenntnis aus den Antworten: Es gibt nicht „das eine“ Verständnis von Digitalisierung, sondern eine breite Auswahl an Zuschreibungen.
Die Antworten der Befragten im Befragungszeitraum gingen in zwei Richtungen: Respekt vor den Herausforderungen und der Hoffnung, Gewinner und nicht Verlierer der Digitalisierung zu sein.
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Viele Befragte haben eine grobe Vorstellung, was Digitalisierung bedeutet. Sie vermuten, dass sich die Prozesse und die Kommunikation in Unternehmen verändern werden. Manche realisieren, dass wir vor großen Veränderungen stehen: Prozesse werden komplett neu aufgesetzt und die Art und Weise wie wir miteinander kommunizieren und arbeiten, verändert sich grundlegend (n=22).
Jedoch gehen heute viele der Befragten eher von Optimierungen aus. Das mag daran liegen, dass die meisten Branchen noch am Anfang stehen. Erlebbar wird die Digitalisierung für die Menschen in erster Linie dadurch, dass Informationen nun für eine meist größere Gruppen digital zur Verfügung stehen (n=21).
Dadurch ist vermutlich jedoch noch kein Prozess verändert. Der möglichen Radikalität sind sich nur wenige bewusst (n=5).
Ein großer Teil der Befragten verbindet mit der Digitalisierung große Hoffnungen:
Sie wünschen sich, dass die Menschen an ihr partizipieren, in dem vieles automatisiert wird, leidige Arbeiten wegfallen und es Freiräume für anspruchsvollere Aufgaben gibt. Die Wünsche gehen bis hin zu neuen Arbeitszeitmodellen, die zum Beispiel auch mehr Freizeit zulassen (n=25).
Die meisten Befragten hoffen, den Übergang in die digitale Arbeitswelt zu schaffen. Nur wenige sprechen an, dass Arbeitsplätze wegfallen werden, ggf. auch um andere Arbeitsplätze zu sichern oder um die Wettbewerbssituation zu verbessern (n=4).
Ein kleiner Teil der Befragten fürchtet, dass die Menschen unter den Veränderungen durch Mehrarbeit und Aktionismus auch gesundheitlich leiden (n=4).
Computerwoche im April 2018:
„Das Internet der Dinge, Plattformökonomie und Co. revolutionieren die Weltwirtschaft.
Die Digitalisierung verändert schließlich nicht nur Geschäftsprozesse, sondern auch die Geschäftsmodelle. So manche Branche hat das bereits zu spüren bekommen. So wird der Fahrdienst Uber ohne eigene Fabrik oder Fahrzeuge höher bewertet als mancher Autohersteller. Und der Zimmervermittler Airbnb ist ohne eine einzige Immobilie weltweit führend bei Übernachtungsangeboten.
Eine repräsentative Studie von Bitkom Research im Auftrag der Unternehmensberatung Tata Consultancy Services (TCS), für die 905 Entscheider befragt wurden, belegt, dass deutsche Unternehmenauffallend defensiv digital agieren. Sie planen die Strategen deutlich bodenständiger und halten respektvoll Abstand zu disruptiven Innovationen.“
Digitalstrategie in Unternehmen
Auf die Frage „hat Ihr Unternehmen eine Digitalstrategie?“ antworteten knapp 48 % der Befragten mit ja, rund 17 % wissen es nicht und 36 % sagen, dass ihr Unternehmen keine derartige Strategie hat. Das Antwortmuster zeigte sich über alle Branchen und Unternehmensgrößen in ähnlicher Weise.
n=149
Die Treiber der Digitalisierung
Bei dieser Frage waren Mehrfachnennungen möglich. Der Treiber der Digitalisierung in Unternehmen ist überwiegend die Geschäftsführung. Eine wichtige Rolle spielen ebenfalls die IT-Abteilungen und die mittlere Führungsebene. Nur knapp 9 % aller Befragten sagen, dass „Wir alle im Unternehmen“ für die Digitalisierung zuständig sind.
n=149
Mitgestaltungsmöglichkeiten und Teilhabe
Wir wollten ebenfalls wissen, ob „die Befragten sich wünschen, die Digitalisierung selbst aktiv mitzugestalten“: Fast die Hälfte der Befragten ist heute schon aktiv dabei, rund 40 % würden gerne mitwirken und nur knapp 12 % haben kein Interesse daran.
n=148
Vertrauen in die Führung
Bei einer so herausfordernden Aufgabe war es uns wichtig zu wissen, ob die Menschen „darauf vertrauen, dass Ihr Unternehmen eine Digitalstrategie umsetzen kann“. Von den Befragten antworteten rund 50 % mit ja, die anderen 50 % sagen nein oder empfinden die Umsetzung als halbherzig.
n=149
Weiterhin wollten wir wissen „ob die Befragten ihrer Führung zutrauen, die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung im Unternehmen zu schaffen?“:
Für mehr als die Hälfte der Befragten trifft es „teilweise“ bis „überhaupt nicht“ und nur rund ein Drittel traut es der Führung „überwiegend“ bzw. „voll und ganz“ zu.
Wir glauben, dass die bisherige Führung, die stark auf Hierarchie, Zielvorgaben und Kontrolle basierte, ausgedient hat. „In einer immer komplexer werdenden Welt ist es schwer, die Zukunft vorauszusagen“ zeigte schon 2013 Prof. Dr. Peter Kruse, Gründer und Ideengeber von Nextpractice, auf. Er beschäftigte sich über 15 Jahre als Wissenschaftler auf der Schnittfläche von Neurophysiologie und Experimentalpsychologie mit der Komplexitätsverarbeitung in intelligenten Netzwerken.
Auf der Messe Zukunft Personal 2013 referierte er über die „Zukunft der Führung“. Aus seiner Sicht „stehen wir am Übergang von Verfügungswissen hin zu Orientierungswissen. Für Führungskräfte bedeutet dies, Komplexität auszuhalten und damit zu experimentieren. Sie werden damit für ihre Mitarbeiter weniger der Planer für erfolgreiche Umsetzungsprozesse sein, sondern vielmehr der Coach für kontextklärende Reflexion.
Durch den gesellschaftlichen Wandel der immer größeren Vernetzung müssen wir uns auch intern besser vernetzen. Für Führungskräfte bedeutet dies zwischen Hierarchie und Netzwerk zu wechseln. Dies ist kein Widerspruch, sondern vielmehr sollte die Intelligenz aller mit ins Spiel gebracht werden.
Diese Netzwerkerhöhung erzeugt Machtverlust, weil sich immer mehr beteiligen. Führungskräfte müssen in der Lage sein vom hierarchischen zum vernetzen Tun zu wechseln. Sie sind dann nicht mehr Vordenker oder Kontrollinstanz, sondern Impulsgeber und Teil des Netzwerks.“
Soziales Miteinander
Wir waren auch neugierig, wie sich das soziale Miteinander in Zeiten der Digitalisierung verändert hat. Aus Sicht der Befragten ist es in dreiviertel aller Organisationen gleich geblieben, etwas besser oder sehr viel besser geworden.
Allerdings ist es auch in der Wahrnehmung der Befragungsteilnehmer in knapp 23 % der Organisationen schlechter geworden.
Produktivität
Aus Sicht der Befragten hat sich die Produktivität in den meisten Organisationen um fast 50 % verbessert hat.
Allerdings ist sie anscheinend auch in einem Viertel der Organisationen gleich geblieben oder sogar noch schlechter geworden.
Unsere Befragungsergebnisse lassen vermuten, dass dies daran liegt, dass Unternehmen lediglich von Papier auf digitale Prozesse umgestellt haben.
Fazit
Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, sollten sich Unternehmen von gewohnten Prozessoptimierungen, dem damit verbundenen Perfektionismus verabschieden und wesentlich experimentierfreudiger werden. Change steht für planbare, schrittweise Veränderungen und Organisationsentwicklung. Im Gegensatz dazu ist die Digitalisierung eine Transformation. Sie verläuft nicht linear, sondern steht für radikale Brüche und gravierende Veränderungen.
Diese Radikalität erfordert laut Prof. Dr. Peter Fischer, Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations-, Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Regensburg „Disruptives Denken, also das Denken in grundlegenden Veränderungen und radikalen Perspektivwechseln. Die sich daraus ergebende Frage ist, wie können sich Führungskräfte auf diese neue Anforderung einstellen?“
Eine Antwort aus der evidenzbasierten wissenschaftlichen Psychologie lautet: Führungskräfte müssen lernen, in ihren Organisationen gleichzeitig Effizienz und Flexibilität bzw. Erneuerung zu ermöglichen. Diese „Beidhändigkeit“ (Ambidextrie) soll alt bewährtes beibehalten und wirtschaftlich gewinnbringend nutzen, während gleichzeitig disruptiv und experimentell über zukünftige Produkte gedacht wird.
Die Forschung zu disruptivem Denken hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Sie ermöglicht es, direkte Ableitungen von psychologischen Methoden zur praktischen Anwendung für Führungskräfte“. Design Thinking, Dynamic Facilitation, Repertory Grid Befragungen sind innovative Methoden, die heute vermehrt zum Einsatz kommen.
Letztlich ist die Digitalisierung ein Werkzeug, das auf einer neuen Technologie basiert. „Die Zentrale Frage ist, wie kann man Computer und Menschen so miteinander verbinden, dass sie intelligenter als der Einzelne sind. Die Menschen wollen sich einmischen und sie machen es auch. Es geht darum statt in Strukturen in Netzwerken aktiv zu sein.“ so auch Prof. Dr. Kruse. Seine große Untersuchung der Generation Y und Digital Natives legte bereits 2013 nahe, dass „Mitarbeiter-Bindung entsteht, wenn das gemeinsame Handeln sinnvoll erscheint. Führungskräfte sind somit nicht mehr vorbildgebende und sicherheitsstiftende Autoritäten, sondern entwicklungsbegleitender Coach, der die Mitarbeiter fragt, was ist auch für Dich sinnvoll?“
Die Veränderung der Systemdynamik erzwingt einen Paradigmenwechsel der Führung. Sie wird grundlegend in Frage gestellt. Dieser Wechsel ist ebenfalls Thema unseres Lehrgangs „Neue Führungspsychologie“, den Professor Thomas Fischer (CH) aus unserem Netzwerk culture2business.eu erstmals auch in Deutschland (23.08. – 14.12.2018 in Darmstadt) durchführt.
Organisationen müssen Strukturen ermöglichen, in denen Kreativität – auch mit Fehlschlägen – erlaubt und Flexibilität gewünscht ist.
Eine ganz wichtige Erkenntnis aus unserer Umfrage ist, dass die meisten Menschen aktiv bei der Transformation mitwirken wollen. Nutzen Sie diese Energie. Schaffen Sie eine Unternehmenskultur, die optimale Rahmenbedingungen für Teilhabe an und einen menschlichen Umgang mit der Digitalisierung ermöglicht.
Unternehmenskulturentwicklung ist in Zeiten der Digitalisierung mehr denn je eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Nur durch Einbindung der Mitarbeiter – und den (disruptiven) Chancen der Digitalisierung – wird Ihre Wertschöpfung langfristig ermöglicht.
Ihre
Sabine Gilliar
Über die Autorin
Sabine Gilliar war lange Jahre als Personalentwicklerin und Qualitätsmanagerin in Unternehmen der Finanzdienstleistung tätig.
Seit 2012 hat sie sich als freiberufliche Unternehmensberaterin auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen spezialisiert. Ihre Schwerpunkte sind: Befragungen und qualitative Interviews im Rahmen von Unternehmenskulturdiagnosen, Leitlinien- und Strategie-Entwicklung, Potenzialanalysen im Rahmen der Personalauswahl/-entwicklung, Systemisches Coaching für Fach- und Führungskräfte sowie Kommunikations- und Konflikttrainings.
Sabine Gilliar ist Systemischer Coach, Moderatorin und Trainerin, Qualitätsmanagerin und TQM-Assessorin. Zudem hat sie die Lizenzen für Tiefeninterviews und Systemanalysen (sci:vesco®/congrid-Coach & Master) und verschiedene Persönlichkeitsdiagnostiken (MSA®-, MPA Beraterin und LUXXProfile Master).
Sie engagiert sich zudem mit dem Netzwerk www.culture2business.eu. in Projekten für eine positive Unternehmenskulturentwicklung und bietet konkrete Lösungen an.